Universitätsklinikum Leipzig, medizinische Fakultät. "visual language" Malerei, Zeichnungen, Arbeiten auf Eisen von D.H., vom 26.06.2013 Detlef Hobbiebrunken Natur und Abstraktion Der Blick einer Kollegin Erste Arbeiten von Detlef habe ich vor ca. 1,5 Jahren gesehen. Detlef war zu Besuch bei mir im Atelier. Wir unterhielten uns über unsere jeweiligen Projekte, das Künstlerdasein im Allgemeinen und Besonderen, tauschten uns über die Möglichkeiten unterschiedlicher Arbeits- prozesse aus. Dann zog er einen großen Stapel der kleinen Kugelschreiber-Zeichnungen aus der Tasche. "Such Dir eine aus, wenn Du magst" war seine Ansage. Selbstverständlich mochte ich! Aber die Entscheidung - welche sollte es sein? Beim ersten Durchschauen gefielen mir drei, vier Zeichnungen auf Anhieb besonders gut. Aber ich guckte den Stapel noch mal einmal durch. Vielleicht hatte ich ja doch ein Blatt übersehen? Ich hatte. Und nicht nur eines. Was auf den ersten Blick als recht einfache Entscheidung daher kam, war auf den zweiten Blick - geschweige auf den dritten und vierten - gar nicht mehr so simpel. Denn je länger und intensiver ich die einzelnen Zeich- nungen betrachtete, um so mehr entdeckte und "sah" ich. Fällt das Wort "Kugelschreiber" denken viele spontan an das Gekrakel beim Telefonieren, welches dann die Schreibunterlage o.ä, ziert. Ein A6 - sprich Postkartenformat - erinnert uns erst einmal an Geburtstagswünsche oder die Grußkarte aus dem Urlaub. Also Postkarten und Kugelschreiber - wahrlich keine Kombination, die uns an Kunst denken lässt. Dann hält man diese kleinen Formate von Detlef Hobbiebrunken in den Händen und ganze Welten eröffnen sich. Welcher Farbreichtum und Nuancen in Licht und Schatten, Linie und Fläche, Strukturen und grafischem Raum holt der Künstler aus einer ach so banal erscheienenden Kugelschreiber-Farbe heraus. Im ersten Augenblick erscheinen die Zeichnungen und Bilder ungegenständlich. Doch sind es wirklich abstrakte Bilder? Oder ist es z.B. Natur, war wir sehen? Nachdem der erste Blick die Oberfläche durchdrungen hat, erfasst das Auge nicht unbedingt konkrete, erkennbare Räume, doch äußerst subtile Raum- und Farbwelten. Es gibt immer ein Bildthema, ein Bildmotiv, aber bei Detlef Hobbiebrunken folgt daraus keine Ausarbeitung im akademischen, handwerklichen Sinne. Der Blick aus dem Atelierfenster, Licht- und Schattenspiel auf einer Dachlandschaft, ein Wort, eine Geste zwischen Mann und Frau, ist Anlass genug - ist es wert, untersucht zu werden. Jeder Moment mit seinem besonderen Eigenheiten kann die Bildumsetzung beeinflussen. EIN Ausblick bietet nicht nur EIN Bild. EINE Geste evoziert nicht nur EINE Empfindung. Es geht bei der Bearbeitung nicht um die möglichst adäquate Illustration eines Bildanlasses, sondern um eine adäquate Übersetzung in eine neue Dimension. Jeder neue Blick wird zu EINER möglichen Variante, EINEM möglichen Stadium der Abstraktion. So ist es nur folgerichtig, dass die entstandenen Arbeiten von impressionistischen Stimmungseindrücken bis zu monochromen, flächigen Abstraktionen reichen. Und das auch wiederum jeder Betrachter seine eigene Bildwelt findet, liegt durchaus in der Absicht des Künstlers. Bei Detlef Hobbiebrunken gibt es kein "So ist es, und nicht anders!", vielmehr wechseln die Deutungen mit dem Auge des Betrachters und dann - bei mehrmaligen Schauen - wandeln sich Eindrücke selbst für den einzelnen Betrachter von Mal zu Mal. Was der Einzelne dabei für sich entdeckt, wird bestimmt durch den jeweiligen Erfahrungshorizont. Die großformatigen Kugelschreiber-Blätter werden Schicht um Schicht, cm für cm, ungeplant auf dem Format, aber dabei doch mit größter Kontrolle und Konzentration druchgearbeitet und gebaut. Fehler in der Komposition oder der Farbverteilung sind nicht korrigierbar. In der Leinwand-Malerei und den Eisenarbeiten ist das Reagieren auf das Material ein viel wesentlicherer Bestandteil des Entstehungsprozesses. So werden zum Beispiel bereits beim Aufspannen und Leimen der Leinwand entstandene Strukturen für die Gestaltung genutzt. Auf das vorhandene wird reagiert. Es wird verändert und weiternetwickelt. Dann folgt wieder das Warten und Stehen lassen (manchmal auch über Jahre) bis wieder eine neue Reaktion hervorgerufen wird. Das oxidierende Eisen beeinflusst dabei auch mit seinen eigenständigen Oberflächenreaktionen in besonderem Maße den Schaffensprozess. Das Plexiglas wiederum scheint mit seiner Transparenz und "Durchschaubarkeit" den Schichten diese Bildsprache im besonderen Sinne zu verkörpern und deutlich zu machen zu können. So entstehen kompositorische Rhytmen, die entwickeln, in Schichten überlagern, und im Prozess auch wieder verschwinden können. Besonders spannend erscheint mir bei Detlef Hobbiebrunkens Werk die Spanne zwischen kontollierter, konzentrierter Durch- und Erarbeitung des Bildraumes einerseits und der großzügigen Geste in der Übersetzung der sinnlich erlebten Stimmungseindrücke andererseits. Dahinter steht jeweils das gleiche Anliegen: Dem Gegenstand der Betrachtung und den dabei aufkommenden sinnlichen Eindrücken einen gemeinsamen Bildkörger zu geben, der in seiner Vielschichtigkeit immer mehr als die Summe seiner ursprünglichen Teile vermittelt. Petra Schuppenhauer Leipzig, 26. Juli 2013 ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Detlef Hobbiebrunken | Kalligrafische Notizen Parallel verlaufende Linien, von Hand geführt mit großer Ruhe und kleinen Unebenheiten, andere Linien zart ineinander gewebt, Rötliches und Türkises, Blau- und Gruentöne überlagern sich, ein Schimmern dazwischen. An einer anderen Stelle wird aus der Linie ein Zeichen, eine kalligrafisch anmutende Form, lesbar als "visual language". Diesem Begriff misst Detlef Hobbiebrunken Bedeutung bei, er erfasst und ist sinngebend zugleich, ohne dass er übersetzbar wäre, ähnlich der Sprache, die Hobbiebrunken in seinen Arbeiten entstehen lässt. Das Nichtzuübersetzende, für sich Da- und Soseiende ist fuer den Leipziger Künstler zentral. Vieles begreift er über das Visuelle, Bilder, grafische Zeichen in ihrer Mehrdeutigkeit und Variabilität sind ihm sicherer als der sprachliche Ausdruck. Zeichnung und Handschrift gehen in seinem Werk ineinander über, die ruhig geführte Linie und jene, die sich aus der Struktur befreit, sind von Hand auf das Blatt geschrieben. Aus der Linienführung baut Hobbiebrunken eine Architektur, zweidimensionale Komponenten werden zu Bausteinen eines flächendeckenden, Raum greifenden Gefüges, Freiräume fordern die eigene Imagination. "Vom Punkt zur Linie zur Fläche" ist nicht nur eine der wichtigsten kunsttheoretischen Schriften Paul Klees, die sämtliche Inhalte seiner Lehre aus der Zeit am Bauhaus zusammenfasst, sondern lädt insbesondere dazu ein, ueber den Bau seiner Bilder nachzudenken. Der ursprünglich aus der Schweiz stammende Künstler gestaltet aus einzelnen Elementen eine Bildarchitektur, geht über die Zeichnung zur Malerei, geht im Dreischritt vom Punkt zur Linie zur Fläche. Das Kunstschaffen verglich Klee mit einem schöpferischen Akt ähnlich der Genesis. Der Künstler gebiert, lässt wachsen, entstehen und greift insofern lenkend ein, als er dem Werk eine Form gibt, die ästhetisch, also wahrnehmbar ist. Visuelles Sortieren nennt Hobbiebrunken diesen Prozess, den er in seinem Schaffen wiedererkennt. Der erste Strich setzt auch bei ihm einen Prozess in Bewegung, Assoziationen leiten ihn zu weiteren Bildideen, die sich im Laufe der Gestaltung neu fügen. Er reagiert, visualisiert, trifft Entscheidungen. Hobbiebrunken möchte in erster Linie zeigen, nicht werten. Das Assoziieren und gedankliche Ergänzen lässt auch an jene automatischen und halbautomatischen Techniken erinnern, wie sie uns aus den Kreisen der Surrealisten um Wortführer Andre Breton überliefert sind. Besonders Max Ernst gehört zu jenen Größen, die für die zunächst literarische Bewegung ein kunstpraktisches Äquivalent suchten. Zufall und Spiel, der Versuch des Hineinfühlens in das kindliche Denken bilden wichtige Komponenten der surrealistischen Gestaltungspraxis. Auch Hobbiebrunkens Arbeiten sind komponiert, aber nicht geplant, gewichtet, aber nicht bemessen. Der Prozess, die Genese sind ihm ebenso wichtig wie die überlegte Entscheidung des Beendens einer Arbeit. Dabei spielt die Frage, ob ein Element bewusst gesetzt wurde ebenso wenig eine Rolle wie die zeitliche Komponente. Hobbiebrunken geht in seiner Arbeit der Frage auf den Grund, wie Werte beschrieben und gesetzt werden. Ist es die Dauer, das Material, die Größe, der Preis? Der Künstler konterkariert den Kunstmarkt in seiner Undurchsichtigkeit und Undurchdringlichkeit wenn er seine Arbeiten verschenkt und auf diese Weise direkt mit seiner eigenen künstlerischen Arbeit einen Weg bahnt. Die auf raues Büttenpapier gezeichneten Werke bisher überwiegend kleinen Formats wechseln meist nach einem Gespräch den Besitzer. Detlef Hobbiebrunken fragt auf diese Weise nach dem Spiel- und Freiraum in einem durch die vom Kunstmarkt gesetzten Parameter überlagerten Feld. Gleichzeitig befasst er sich mit der Seite des Publikums: Wie geht man mit einem Geschenk um? Hat Wert nur, was mühsam erstanden oder finanziell unerreichbar ist? Der zuvor in Quedlinburg tätige und ursprünglich aus dem ammerländischen Westerstede stammende Künstler zeichnet seine kalligrafischen Notizen und aus Linien gefuegten Architekturen mit dem Kugelschreiber. Hobbiebrunken macht Kunst mit Gebrauchsgegenständen, das verwendete Utensil stammt nicht aus entsprechendem Fachgeschäft, gehört nicht zwangsläufig zum Kunstbedarf, sondern muss erst zum künstlerischen Medium erhoben werden. Zeicheninstrument und Bildträger sind betont einfach, die Farbwahl ist begrenzt. Auch legt der Kugelschreiber fest, wie Fläche gestaltet werden kann, wie sich ein Bild fügt: vom Punkt zur Linie zur Fläche. Dörte Wiegand, Stand: 11.06.2012 -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Signaturen Faszinierend teilt sich die Formensprache der Gemälde und Zeichnungen Detlef Hobbie brunkens der poetischen Erlebniskraft des Betrachters mit. Das Werden und Wachsen von Kreis und Linie sind seine Hauptthemen. In unendlichen Kombinatioen und Metamorphosen treten diese Formen in einen Dialog. Auf verschiedensten Materialien wie Pappe, Seidenpapier, Schlachterpapier, Holz und Eisen pulsieren sie zu Form und Unform, Ruhe und Leidenschaft, bewegen sich vom Kosmos zum Chaos, entwerfen Flächenraster, in die mikroskopisch feine Farbmoluküle münden. Unermüdlich tastet sich das Auge durch seine Bilder, gelangt zu den sonderbarsten Sensationen und Entdeckungen. Räume scheinen sich zu öffnen, Getreide neigt sich auf einem Feld, Augen blicken aus unendlichen Farbwirbeln, die Farbe scheint aus der Fläche zu springen und ist doch reliefartig in ihr gebunden. Auffallend ist die grosse lyrische Spannweite seiner Gemälde, die von "Songs" oder "Liebesbrief" bis zu holzschnittartig fest gefügten Collagen wie "Tür ins.." oder "Zeichen" reicht. Dazwischen stehen Werke, in denen Stoffe wie "Leitungswasser" oder "Blüten" zu gemalter Naturpoesie verschmelzen. Immer regen seine Bilder die Phantasie an, sinken wie Zeichen auf den im Unbewussten abgesunkenen Bildervorrat der menschlichen Wahrnehmung. Experimentierfreudig überspannt Hobbiebrunken die Fläche mit ineinander ruhenden Farbfeldern, deren expressive Wirkung den Bildträger diaphan werden lässt oder er zeichnet auf braunem Seidenpapier archaisch fest gefügte "Höhlen", die sich unlösbar aus dem zarten Bildgrund entwickeln. In Hobbiebrunkens Oeuvre verbindet sich spontaner Farb- und Formsinn mit strengen Blick des Kalligraphen, geht die Freude am phantasievollen Spiel eine Verbindung mit festgefügter Zeichensprache ein. Diese "Widersprüche" werden nicht aufgelöst, sondern durchkreuzen jede feste Zuordnung seiner Bilder, die damit immer subjektiv und objektiv zugleich sind, stets den Impetus des Einmaligen und des Allgemeinen, des Individuellen und des Kosmischen in sich tragen. Wer den Namen des Malers auf diesen Signaturbildern sucht, wird auf das Bild zurück verwiesen. Brey Kunst Kultur Nicole u. Michael Brey (Dresden) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Zeit kann man nicht anhalten Es gibt viele große Themen im Leben des Einzelnen - dennoch: was Menschen verbindet, über die Jahrhunderte, ist das Vergehen und das Entstehen. Und wenn so mancher Kunsthistoriker oder -wissenschaftler gerade das Einfangen des Momentes als die wahre Kunst bezeichnet, so findet sich in ihrem Gegenteil dem Darstellen von Zeit und Vergehen - ebenso tiefe und sinnliche Bilderwelten. Der Künstler Detlef Hobbiebrunken beschäftigt sich neben kalligraphischen Arbeiten und Leinwandgemälden vor allem mit einem Material, das wie kein anderes Vergänglichkeit und spröde Schönheit vereint. Die Eisenplatten, oft in Abrissfabriken und leer stehenden Gebäuden gesammelt, dienen nicht nur als Arbeitsuntergrund für die Werke von Detlef Hobbiebrunken, vielmehr sind sie Bild, Abbild und Zukunft. Denn die oft mit Rost, Spuren des Verschleißes und anderen Einflüssen bereits bearbeiteten Platten, wirken selbst unbearbeitet wie Boten aus einer fernen Zeit und lassen Raum für Interpretationen, die sich nicht eine Richtung drängen lassen. Der Maler lässt sich auf die schon entstandenen Eindrücke auf den Platten ein, verändert sie, lässt das Eisen weiter arbeiten, wartet ab. Mit Wasser, Leim, Lack, Acryl, Aluminium, Haaren, Kreide und mehr, ändert sich das Eisen; unerwartet und nicht planbar sind die Ergebnisse. So wird Zeit ein weiterer Bestandteil des Werkes selbst. Niemals gibt es ein Ende, kein fertiges Bild wird produziert, sondern in kaum registrierbaren Momenten arbeiten die vom Künstler angebrachten Ingredienzien weiter und verändern das bereits Gewesene - Damit reagiert Detlef Hobbiebrunken nicht zuletzt auf seine Wohn- und Arbeitsumgebung, dem Leipziger Westen, der gekennzeichnet ist von Leerstand und Abbruch. Ein sich ständig verändernder Lebensraum, in dem vieles ersetzbar scheint und schwindenden Wert herausbrüllt, der geprägt ist von Orten ohne Zweck, verdeutlicht in einem sehr rauen Ton das Vergehen - weniger mild und zart, als es die Natur vermag. Deswegen sind auch die Bilder, die Hobbiebrunken erschafft, nicht mit seinen sonst für Leinwandbilder charakterisierenden Wiederholungen und fast meditativen Strom und Wellenbewegungen geformt, sondern gebrochen, in der Farbigkeit oft kontrastierend, mit Formeln und undurchdringbaren Farbflüchen belegt. Mit seinen Eisenarbeiten stößt Hobbiebrunken, wie schon andere Künstler vor ihm, genannt sei Richard Serra, auch auf Unverständnis - ein Restprodukt einer vergangenen Industriegesellschaft ist Zeitzeuge und Zeitmittler zugleich. Silke Janßen Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Leipzig, Mai 2007 |